Dürfen Veranstaltungen mit mehr als 200 Personen in Räumen durchgeführt werden, die nicht nach der Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) geplant, gebaut bzw. genehmigt sind? Dies soll ein Hinweis sein, wie in Niedersachsen in solchen Fällen vorgegangen wird.
Nach §51, sechster Teil „Nutzungsbedingte Anforderungen an bauliche Anlagen“, NBauO sind Versammlungsstätten Sonderbauten. Für diese gelten „besondere Anforderungen“, die in diesem Paragraphen genannt sind. Weitere und detailliertere Regelungen sind hierzu in der Niedersächsischen Versammlungsstättenverordung NVStättVO zu finden. In diesem Sinne sind Veranstaltungsstätten Sonderbauten, wenn sie Veranstaltungsräume haben „die insgesamt mehr als 200 Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben“. Zu beachten ist, dass nur Besucher gezählt werden. Ordnungsdienst, bühnentechnisches Personal, Service- und Küchenpersonal usw. zählen nicht zu den Besuchern.
Die (niedersächsische) VStättVO ist hinsichtlich des Brandschutzes eine der strengsten Verordnungen aller Sonderbaurichtlinien, da hier mit einer erhöhten Anzahl meist ortsunkundiger Personen zu rechnen ist. Neben den im Vergleich zur NBauO erhöhten Anforderungen an die bauliche Ausführung sind hierin auch zahlreiche anlagentechnische Anforderungen enthalten (Rauchabführung, Feuerlösch- und Brandmeldeanlagen usw.).
Des Weiteren werden in Teil 4 der NVStättVO Betriebsvorschriften zusammengefasst, die sich auf die Freihaltung der Rettungswege, die Brandverhütung, den Betrieb technischer Einrichtungen sowie die Anwesenheitspflichten, die Verantwortung und die Pflichten des Betreibers oder Veranstalters beziehen.
Versammlungsstätten ohne VStättVO – vorübergehende Verwendung von Räumen
Wie aber ist mit Gebäuden oder Räumen umzugehen, die von mehr als 200 Personen besucht werden, aber nicht den Vorschriften der VStättVO entsprechen? Denn Veranstaltungen werden gern auch in Gebäuden und Räumlichkeiten abgehalten, die nicht nach den Anforderungen der VStättVO gebaut und ausgestattet wurden, z.B. Betriebsversammlungen in Gebäuden der Industriebetriebe, Partys in alten Industriehallen oder Rockkonzerte in stillgelegten landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden.
Die entsprechende Regelung in § 47 NVStättVO „Vorübergehende Verwendung von Räumen“ lautet:
„Für die Durchführung einer Veranstaltung in einem Raum, der nicht als Versammlungsraum genehmigt ist, können auf Antrag Ausnahmen von den §§ 3 bis 21, 32 Abs. 1 und 2, §§ 42 und 44 durch besondere schriftliche Entscheidung zugelassen werden, wenn
1. der Raum nur vorübergehend für Veranstaltungen genutzt wird und
2. der Brandschutz und die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher sowie der Mitwirkenden
auf andere Weise gewährleistet ist.“
Das heißt, dass in Niedersachsen die Ausnahmen, die die Behörde zulassen kann, festgelegt sind. Diese sind Ausnahmen von Bauteilen (§ 3 – § 5), Rettungswege (§ 6 – § 9), Besucherplätze und Einrichtungen für Besucherinnen und Besucher (§ 10 – § 13), Technische Einrichtungen (§ 14 – § 21), Besucherplätze (§ 32 Absatz 1 und 2), Brandschutzbeauftragte, Brandschutzordnung, Feuerwehrpläne (§ 42) und Zusätzliche Bauvorlagen, Bestuhlungs- und Rettungswegeplan (§ 44).
Der Landkreis Osterholz schreibt zum Beispiel vor, dass die Anzahl der Veranstaltungen on solchen Räumen eingeschränkt werden muss. „Es darf sich nur um eine vorübergehende, d.h. nicht dauerhaft und regelmäßig stattfindende Veranstaltung handeln. Voraussetzung für die Zulassung einer Ausnahme ist eine zeitliche Eingrenzung von nicht öfter als drei Tage in Folge und nicht mehr als 1 Mal im Monat und nicht mehr als 4 Mal im Jahr.“
Als weiteres Beispiel soll hier das Merkblatt der Stadt Burgdorf für Veranstaltungen gem. §47 NVStättVO mit über 200 Personen in Räumen, die nicht als Veranstaltungsstätten genehmigt sind, genannt sein. (Fragen Sie in Ihrer Stadt oder Gemeinde, ob dort etwas ähnliches existiert.)
Das Muster eines Antragsformulars für die vorübergehende Nutzung von Räumen für Veranstaltungen gem. §47 NVStättVO finden sie hier.
Und falls Sie sich die oben genannten Paragraphen einmal im Zusammenhang zu Gemüte führen wollen, finden Sie die gesamte NVStättVO in den Downloads.
Dürfen die Veranstaltungen nun stattfinden? Ja oder Nein?
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Eingangsfrage „Dürfen Veranstaltungen mit mehr als 200 Personen in Räumen durchgeführt werden, die nicht nach der Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) geplant, gebaut bzw. genehmigt sind?“ mit einem klaren Ja – aber beantwortet werden kann. Ja, sie dürfen dort stattfinden, aber es gilt dennoch grundsätzlich die VStättVO. Ausnahmen von deren Regelungen können unter bestimmten Bedingungen gemacht werden, diese müssen aber bei der jeweils zuständigen Stelle beantragt und von dieser genehmigt werden. Die „zuständige Stelle“ ist meistens das jeweilige Ordnungsamt.
Und um mich jetzt vollends unbeliebt zu machen noch der Hinweis: Vergessen Sie die GEMA nicht! Andernfalls könnte es zu unliebsamen Überraschungen kommen.
Für Ihre private Party müssen Sie keine Lizenz bezahlen. Anders verhält es sich, wenn Sie eine Veranstaltung planen. Als Veranstaltung gelten alle öffentlichen Einzelereignisse, die aus einem bestimmten Anlass stattfinden – dazu zählen zum Beispiel Bälle, Bunte Abende u. Ä. Als Veranstalter gilt in der Regel derjenige, der für die Aufführung, Vorführung oder Wiedergabe in organisatorischer Hinsicht verantwortlich ist.
Eine Veranstaltung von mehr als 200 Personen ist definitiv keine private Party mehr – zumindest nicht für die GEMA. Und auch ohne dass Sie Eintrittsgeld verlangen, möchte die GEMA dennoch eine Gebühr haben. Diese richtet sich nach dem Eintrittsgeld, der Art der zu Gehör gebrachten Musik (live, Vinyl, CD, Stream etc.) und der Größe des Raums in m².
sorry 🙁